KURZbeschreibung
Babys deuten den Akt des Teilens als Gradmesser für Beziehungen
Für außenstehende Beobachter:innen ist es oft schwierig festzustellen, wie eng die Beziehung zwischen zwei Personen ist. Stellen wir uns vor, welche Herausforderung das für Babys darstellen kann, die neben der Beziehung zu ihren Eltern erst wenig soziale Erfahrung gesammelt haben. Die Forscher:innen des KiKo Labs der CEU, Beyza Ciftci, Jonathan Kominsky und Gergely Csibra, untersuchten in einer kürzlich veröffentlichten Studie, ob das Teilen von Essen als Verhaltenssignal Babys dabei hilft, enge Beziehungen zu identifizieren.

Im Laufe unseres Lebens formen wir verschiedene Beziehungen zu anderen Menschen. Mit einigen Bekannten – beispielsweise entfernten Kollegen oder der Verkäuferin in der Bäckerei, die wir morgens treffen – beschränken sich unsere Interaktionen auf ein einfaches „Hallo“. Mit anderen essen wir vielleicht gelegentlich zu Mittag, treffen uns auf einen Kaffee oder leihen uns ein Buch aus. Und dann gibt es jene Menschen in unserem Leben, mit denen wir jeden wichtigen Moment teilen möchten und auf die wir in schwierigen Zeiten zählen können. Diese Beziehungen nennen wir enge zwischenmenschliche Bindungen.

Während in den ersten Lebensjahren vor allem Verwandte zu diesem engen Kreis gehören, können wir später auch mit Kolleg:innen, Freund:innen oder unseren romantischen Partner:innen enge, jedoch unterschiedliche Beziehungen entwickeln. Dies macht es für Außenstehende schwierig zu erkennen, wer in einer engen Beziehung zueinandersteht. Hinzu kommt, dass auf eine enge oder entfernte Beziehung hinweisende Zeichen und Gewohnheiten sich von Kultur zu Kultur unterscheiden können. Aber sind Babys dennoch in der Lage, es zu erkennen, wer sich nahesteht?

Vergangene Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Hinweise kulturübergreifend konstant mit bestimmten Beziehungen assoziiert werden. Solche Merkmale können es uns erleichtern, soziale Bindungen zu identifizieren. Beispielsweise deuteten in der Tierwelt Unterschiede in Körpergrößen oft auf Dominanzbeziehung hin. Ähnlich kann das Teilen von Essen auf eine enge Beziehung hinweisen, da es mit dem Austausch von Speichel verbunden ist. Babys könnten solche Signale bereits früh erkennen und nutzen, um ihr soziales Umfeld besser zu verstehen.  

Eine kürzlich durchgeführte Online-Studie von Ashley Thomas (Harvard University) zeigte, dass Babys das Teilen von Essen tatsächlich als Zeichen für eine enge Beziehung interpretieren könnten. CEU-Forscher:innen wollten herausfinden, ob dieses Ergebnis auch in einem Labor-Setting reproduzierbar ist. Während Thomas und ihre Kollegen das Verhalten der Babys nur anhand von Videos analysierten, nutzte unser Team eine Blickverfolgungstechnologie, um die Blickrichtung und -dauer der Babys bei der Beobachtung sozialer Interaktionen zu messen.

Die 8–10 Monate alten teilnehmenden Babys konnten in Videos beobachten, wie eine Puppe mit verschiedenen Personen interagierte, wobei eine Person ihr Essen mit der Puppe teilte, während die andere mit ihr Ball spielte.

Das Ziel der Forscher:innen war es in Erfahrung zu bringen, welche Interaktion die Babys als Hinweis auf eine engere Beziehung erkannten. Dazu beobachteten sie, von welcher Person die Babys erwarteten, dass sie der Puppe in einer schwierigen Situation zu Hilfe eilt – gemessen daran, zu welcher der beiden Frauen die Babys blickten, als die Puppe zu weinen begann.

Die Puppe weint

Die Babys schauten länger auf die Person, die zuvor ihr Essen mit der Puppe geteilt hatte, was die Vermutung nahe legt, dass sie eher von dieser Person erwartet hatten, die Puppe zu trösten. Das spricht dafür, dass die Babys anhand der beobachteten Interaktion eine Vorstellung über die Nähe der Beziehungen zwischen der Puppe und den beiden Personen bildeten. Im Vergleich zum Teilen von Essen wurde das gemeinsame Spielen weniger eindeutig als Hinweis auf eine enge Beziehung erkannt. Obwohl dieses Forschungsfeld noch neu ist, und daher noch zu früh ist zu behaupten, dass das Teilen von Essen ein universelles Zeichen für enge Beziehungen ist, deuten die Ergebnisse dennoch darauf hin, dass unser Gehirn bereits in sehr jungen Jahren soziale Beobachtungen nutzt, um soziale Bindungen zu verstehen.

Artikel: Ciftci, B. G., Kominsky, J. F., & Csibra, G. (2025) Do infants use cues of saliva-sharing to infer close relationships? A replication of Thomas et al. (2022) Royal Society Open Science 12 240229 http://doi.org/10.1098/rsos.240229

Zitiert: Thomas, A. J., Woo, B. M., Nettle, D, Spelke, E. S., & Saxe, R. (2022) Early concepts of intimacy: young humans use saliva sharing to infer close relationships. Science 375, 311–315. doi:10.1126/science.abh1054

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