Oder glauben sie, dass sie mit dem Spielzeugauto auf dem Teppich genauso spielen können wie mit dem auf dem Bildschirm? Der neuesten Studie von Barbu Revencu and Gergely Csibra zufolge, können Babys bereits mit 19 Monaten zwischen der physischen und der virtuellen Welt unterscheiden.
Um herauszufinden, ob Babys davon ausgehen, dass die Welt auf dem Bildschirm anders ist als jene Welt, die ihn umgibt, entwarfen sie ein einfaches Spiel für diese Altersgruppe. Die Kleinkinder beobachteten, wie ein Ball auf einer Wippe rollte, an deren Enden jeweils eine Kiste stand. Die Seite, auf der der Ball in die Kiste rollte, war verdeckt. Die Aufgabe der Kinder war es, dorthin zu zeigen, wo der Ball hineingerollt ist. Die Forscher präsentierten den Babys drei Versionen dieses Spiels: in der ersten waren sowohl der Ball als auch die Kisten echt; in der zweiten waren beide virtuell und in der dritten war nur der Ball virtuell, während die Kisten echt waren. In den ersten zwei Versionen des Spiels zeigten die Babys meistens zu der Kiste, in die der Ball hineingerollt war. In der dritten Version jedoch, in der der Ball virtuell und die Kiste echt waren, zeigten die Babys oft auf die Mitte des Bildschirms oder wahllos auf einer der Boxen, unabhängig davon, in welche der Ball tatsächlich hineingerollt war. Ihr Verhalten weist darauf hin, dass 19 Monate alte Babys nicht davon ausgehen, dass der Ball, den sie am Bildschirm sehen, über ihn hinaus in eine der echten Kisten rollen kann.
Die Forscher wollten auch wissen, ob Babys Bildschirme wie ein Aquarium auffassen, in welchem sich echte Objekte und Figuren befinden können, oder ob sie bereits davon ausgehen, dass die Objekte, die sie auf einem Bildschirm sehen, sich qualitativ von der physischen Realität unterscheiden. Dafür wurden 19 Monate alten Babys zwei Bildschirme gezeigt. Auf einem Bildschirm erschien ein Hase, auf dem anderen ein Bär, die dann in ein Haus hineingingen. Beide Häuser sahen gleich aus, aber ihre Umgebung war jeweils eine andere: Der Hase befand sich in einem beschneiten Wald, während beim Bären Berge im Hintergrund zu sehen waren. Nach dieser kurzen Einführung wurden die Bildschirme für einen kurzen Moment abgedeckt und dann wieder enthüllt. Allerdings waren die Szenen nun vertauscht. Diesmal mussten die Kleinkinder angeben, auf welchem Bildschirm sich nun der Hase und der Bär befanden. Ihre Antworten richteten sich meistens nach der abgebildeten Umgebung und weniger nach dem Bildschirm,auf welchem sie das Tier zuerst gesehen hatten. Sie dachten also, dass der Hase zwischen den verschneiten Bäumen zu finden sein musste und nicht in der Berglandschaft, selbst wenn der Wald jetzt auf dem anderen Bildschirm zu sehen war.
Zusammengefasst bedeutet das, dass die Annahme von Babys folgende ist: Etwas, das auf einem Bildschirm gezeigt wird, kann auch auf einem anderen Bildschirm gezeigt werden. Sie gehen aber nicht davon aus, dass ein virtuelles Objekt den Bildschirm verlassen und in der echten Welt landen kann. Man kann also mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass Babys die Welt auf Bildschirmen als separat und als qualitativ anders wahrnehmen als ihre physische Wirklichkeit.
Barbu Revencu, Gergely Csibra; For 19-Month-Olds, What Happens On-Screen Stays On-Screen. Open Mind 2022; 5 71–90. doi: https://doi.org/10.1162/opmi_a_00043