KURZbeschreibung
Kleinkinder verstehen das Konzept der Verneinung noch bevor sie in die Nein-Phase kommen
Das Erlernen von Wörtern und Ausdrücken, die sich auf abstrakte Konzepte beziehen, ist eine der größten Herausforderungen für den kindlichen Spracherwerb. Wörter wie „nichts“, „null“, „weg“ oder „nein“ sind besondere Beispiele dafür. Sie weisen auf die Abwesenheit von Objekten, Ereignissen oder Bedingungen hin und sind aus diesem Grund schwer zu erfassen. Bemerkenswerterweise gelingt es Babys jedoch, die Bedeutung solcher Wörter schon früh zu entschlüsseln: CEU-Forscherinnen Eszter Szabó und Ágnes Kovács fanden heraus, dass Säuglinge bereits im Alter von anderthalb Jahren verbale Negation verstehen.

Wie erfassen kleine Kinder also Abwesenheit? Wie lernen sie, verschiedene Formen der Negation wie „Es gibt keine Kekse mehr“, „Das ist nicht mein Hase“ oder „Geister existieren nicht“ den jeweiligen Konzepten zuzuordnen? Die einen meinen, dass das Verständnis von Negation anfangs auf einen engen Bedeutungsbereich beschränkt ist (z. B. Ablehnung oder Nicht-Existenz), und Kleinkinder erst viel später ein umfassendes Verständnis –ein vollwertiges Negationskonzept - entwickeln. Eine andere Sichtweise beruht auf der Annahme, dass Säuglinge sich schon früh auf ein vollwertiges Negationskonzept stützen, jedoch mit einigen Formen der Negation Zuordnungs-und Verarbeitungsschwierigkeiten haben. Das Verständnis von propositionaler Verneinung zum Beispiel - etwas in Bezug auf eine existierende Entität zu negieren, wie etwa „es ist nicht hier“, „dieses Fahrrad gehört uns nicht“, „wir sollten nicht mit dem Auto fahren“ - könnte noch zu komplex sein und daher später auftreten als das Verständnis von Existenznegation. Die Entwicklungspsychologinnen Eszter Szabó und Ágnes Kovács untersuchten, ob es Babys tatsächlich erst später möglich ist, diese Form der Negation zu verstehen, während verbale Aussagen von Existenznegation schon durchaus für sie nachvollziehbar sind.

Die Wissenschaftlerinnen stellten 15 und 18 Monate alten Babys eine einfachen Suchaufgabe. Es ging darum, ein Spielzeug namens Bobo in einem von zwei Bechern zu finden. Eine Erwachsene gab den Babys Hinweise, um Bobo zu finden: Sie schaute in einen der Becher nach und zeigte ihnen entweder, dass der Becher leer ist, oder sagte ihnen, dass Bobo nicht da ist. Die Studie wurde auf Ungarisch durchgeführt, einer Sprache mit separaten Negationspartikeln für verschiedene Negationsformen. In diesem Teil der Aufgabe benutzte die Erwachsene entweder das ungarische Verb „nincsen“, was „(es) ist nicht“ bedeutet und die Abwesenheit von Entitäten (Existenznegation) ausdrückt, oder sie sagte „nem itt van“, was „(es) ist nicht hier“ bedeutet (propositionale Verneinung). Die Forscherinnen zeichneten auf, wo die Babys zuerst nach dem versteckten Spielzeug suchten.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass beide Negativausdrücke für die 18 Monate alten Babys ausreichend waren, um Bobo gleich beim ersten Versuch am richtigen Ort zu finden. Den 15 Monate alten Babys gelang dies jedoch nur im nonverbalen Teil der Aufgabe: Wenn sie sahen, dass einer der Becher leer war, zogen sie die richtige Schlussfolgerung, aber wenn dieselbe Information verbal übermittelt wurde, suchten sie mit gleicher Wahrscheinlichkeit in beiden Bechern, unabhängig von der Art der Negation, die sie gehört hatten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das Verständnis dieser beiden Negationsformen parallel entwickelt. Somit stimmen sie mit der Hypothese überein, dass beide Formen bereits in diesem frühen Entwicklungsstadium auf denselben konzeptionellen Grundlagen beruhen.

Originalveröffentlichung: Szabó, E.,& Kovács, Á.-M. (2025). Do early meanings of negation map onto afully-fledged negation concept in infancy? Cognition, 254, 105929. https://doi.org/10.1016/j.cognition.2024.105929

 

Andere Kurzbeschreibungen